Um was geht es in „Nacht“ von Yrsa Sigurdardóttir?

Den Traum vom eigenen Haus hat sich ein amerikanisches Ehepaar auf eher ungewöhnliche Weise erfüllt und sich einen alten Bauernhof auf Island gekauft und diesen aufwändig restaurieren lassen. Jetzt leben sie mit ihren Töchtern und einer Hausangestellten zurückgezogen. Trotzdem wundert sich ein Nachbar, dass er seit einiger Zeit keinen mehr zu Gesicht bekommt. Er beschießt eines Abends, der Familie einen Besuch abzustatten und findet diese brutal ermordet vor. Der Polizist Týr und die Gerichtsmedizinerin Iðunn werden mit den Ermittlungen betraut. Recht bald führen Spuren zu einem Fall, der tiefe Wunden hinterlassen hat und den alle Beteiligten am liebsten vergessen möchten. Doch so einfach ist das nicht.

Kritik zu dem Roman „Nacht“ von Yrsa Sigurdardóttir:

Nacht von Yrsa SigurdardóttirDie Romane von Yrsa Sigurdardóttir zeichnen sich immer wieder durch die archaische Wucht aus, mit der es ihr gelingt, die raue Natur ihrer Heimat in ihren Werken einzufangen. Ihr aktuelles Werk „Nacht“ bildet da keine Ausnahme. Handwerklich geht sie dabei wie gewohnt vor, und teilt den Plot in zwei Handlungsstränge, die man vereinfacht gesagt in „vor dem Mord“ und „nach dem Mord“ unterteilen kann. Nach diesem Prinzip steigert sich kontinuierlich die Spannung. Dabei stellt Yrsa Sigurdardóttir vor allem zwei Fragen in den Mittelpunkt Ihrer Handlung: Wer ist der Täter und welche Motive treiben ihn an? Zur Beantwortung dieser Fragen werden falsche Spuren ausgelegt und der Leser immer wieder auf eine falsche Fährte geführt.

Dabei spart die Autorin in „Nacht“ auch nicht an Brutalität. Manche Szenen sind ziemlich heftig und werden zartbesaitete Gemüter womöglich noch länger beschäftigen. Allerdings passen sie gut in den Kontext der Handlung und ergänzen sich hervorragend mit der düsteren Grundstimmung. Die abgelegene Lage des Schauplatzes zusammen mit der fast spürbaren Kälte isländischer Winter sorgt für ein Setting, dass den Leser fesselt. Sicher, manche Szenen und Kapitel sind etwas ausufernd, doch da sich der Plot immer wieder steigert, verzeiht an das gerne, zumal Story, Naturbeschreibungen und die bildhaft herausgearbeiteten Charaktere sehr gut harmonieren.

Leider ist der Teil des Romans der Schwachpunkt, der eigentlich der Höhepunkt sein soll: das Ende. Yrsa Sigurdardóttir lässt viele Fragen unbeantwortet und Raum für Spekulationen. Das kann und wird vielleicht gewollt sein, da es noch weitere Romane mit ihrer Hauptfigur Týr geben wird. Auch das ein Punkt, über den man sich freuen kann, da Týr ein Charakter ist, mit dem sich der Leser identifizieren kann. Trotzdem wirkt das Ende sehr aufgesetzt und ergibt somit kein ganz so stimmiges Bild. Etwas relativiert wird dies durch das Nachwort, indem Parallelen zu anderen Werken der Autorin aufgezeigt werden, die wiederum gut in den Kontext passen.

Fans nordischer Krimis kommen bei „Nacht“ von Yrsa Sigurdardóttir schon auf ihre Kosten. Der atmosphärische und stellenweise brutale und düstere Krimi passt gut in das Genre, besitzt jedoch genug Eigenständigkeit, um nicht komplett in der Masse dieser Spielart unterzugehen. Ein paar Abstriche muss man beim nicht so überzeugenden Ende hinnehmen, aber in der Gesamtsumme kann man für den Roman schon eine Kaufempfehlung aussprechen.

„Nacht“ von Yrsa Sigurdardóttir kaufen:

  1. Buchinfos:
  2. Serie:
  3. Verlag: btb
  4. Seiten: 432
  5. Veröffentlichung: 30.8.2023
  6. Formate: Buch, eBook, Hörbuch
  7. Buch-ISBN: 9783442762415

Zur Autorenseite