Um was geht es in „Das Geburtstagsfest“ von Judith W. Taschler?

Zum fünfzigsten Geburtstag soll Kim Mey groß gefeiert werden – jedenfalls nach dem Willen seiner Frau Ines. Der ruhige Architekt hätte darauf durchaus verzichten können. Zumal seine Kinder sich etwas ganz besonderes haben einfallen lassen: Sie laden Tevi ein, die Frau, mit der ihr Vater als Kind aus seiner Heimat Kambodscha geflohen ist. Den Kindern wurde erzählt, ihr Vater habe diesem Mädchen seinerzeit das Leben gerettet. Kim selbst mag allerdings über seine Vergangenheit nicht sprechen, weshalb die Kinder hoffen, ihn mit ihrem etwas ungewöhnlichen Geschenk aus der Reserve locken und mehr über seine Kindheit erfahren zu können.

Doch Tevi zögert zunächst, die alten Bekannten wiederzusehen – und auch Kim begegnet ihr mit großer Zurückhaltung. Einiges muss vorgefallen sein in dieser für die Kinder unbekannten Vergangenheit. Einst waren Ines und Tevi Freundinnen. Und Kim und Tevi? Ihr Schicksal als Flüchtlingskinder in Österreich hatte sie zusammengeschweißt. Doch was war dann passiert? Es gibt Dinge, die alle Beteiligten aus unterschiedlichsten Gründen bedeckt halten möchten. Sie gehen weit über ein einfaches Beziehungsdrama hinaus …

Kritik zu dem Roman von Judith W. Taschler:

Das Geburtstagsfest von Judith W. TaschlerWer zu dem harmlosen Titel „Das Geburtstagsfest“ greift, weil ihn vielleicht das Titelbild anspricht, das eine Liebes- oder Familiengeschichte erwarten lässt, dem stockt bei der Lektüre bald der Atem. Der Roman von Judith W. Taschler ist so viel mehr als das – was man erahnen könnte, wenn man die Autorin bereits kennt, etwa von ihren Werken „Die Deutschlehrerin“ oder ihrem Debüt „Sommer wie Winter“, die mir auch beide gut gefallen haben. Ja, es geht in ihren Romanen um Menschen, um Familien, um Beziehungen und Konflikte. Doch dahinter steckt mehr. So auch in „Das Geburtstagsfest“. Hier erzählt uns die Autorin etwas über Kambodschas unrühmliche Geschichte der 1970er Jahre, einer Zeit, in der Bürgerkrieg herrschte und die Roten Khmer das Land beherrschten. Rund zwei Millionen Todesopfer forderte diese Schreckensherrschaft – kein leichtes Thema für einen Roman, aber eben dies ist die Vergangenheit der Protagonisten Kim und Tevi.

Wechselnde Perspektiven und drei Zeitebenen nutzt Judith W. Taschler für ihre spannende Geschichte. Zum einen erzählt sie aus der Kindheit von Kim, dem Leben in Kambodscha in den 1970er Jahren, zum anderen vom neuen Leben als Geflüchtete in einer österreichischen Familie. Es sind krasse Gegensätze, die sich hier auftun, und sie bilden den Grundstein für Ereignisse, die schließlich dazu führen, dass es zwischen Kim, Tevi und Ines zum Bruch kommt. Schließlich ist da noch die Ebene der Gegenwart, das Geburtstagsfest, das eine neue Sichtweise eröffnet und das Leben aller – noch einmal – nachhaltig verändert.

Das alles kumuliert zu einer äußerst packenden Story, bei der Judith W. Taschler weder vor den grausamen Beschreibungen schlimmer, nahezu unglaublicher Taten im Krieg zurückschreckt, noch es versäumt, ihre Figuren präzise psychologisch zu durchleuchten. „Das Geburtstagsfest“ ist kein „leichter“ Roman, bisweilen gar erschreckend; aber sprachlich dicht, großartig geschrieben und berührend, ohne rührselig zu sein.

Mein Fazit zu dem Buch „Das Geburtstagsfest“:

Jeder hat seine eigene Sichtweise auf die Vergangenheit – das macht dieser großartige Roman, zum Teil schmerzhaft, deutlich. Es sind diese unterschiedlichen Blickwinkel, die unter anderem den Reiz dieses Romans ausmachen, und sie sind es auch, die über die Lektüre hinaus zum Nachdenken anregen. Der Rückblick auf das eigene Leben beinhaltet Erkenntnisse, die wir nur von anderen gewinnen können. Das muss auch der Protagonist dieser Geschichte erfahren. „Das Geburtstagsfest“ ist ein sehr emotionaler Roman, ohne je kitschig zu werden. Die Eltern der Autorin nahmen in den 1980er Jahren selbst Flüchtlingskinder aus Kambodscha auf. Die Geschichte des Romans ist fiktiv, und trotzdem zeigt sich: Wenn ein Autor weiß, wovon er schreibt, dann schreibt er (in diesem Fall: sie) besonders gut. Und so ist „Das Geburtstagsfest“ ein besonders guter Roman geworden, den ich nur wärmstens empfehlen kann.

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Das Geburtstagsfest von Judith W. Taschler

Das Geburtstagsfest

  • Judith W. Taschler
  • Verlag: Droemer
  • 352 Seiten
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