Zwanzig Jahre sind vergangen, seit Bittori ihren Mann durch den Terror der baskischen Untergrundorganisation ETA verloren hat. Nun ist sie krank, sie wird sterben – und darum will sie ein letztes Mal zurückkehren in ihr Heimatdorf, offene Fragen klären und herausfinden, warum damals alle schwiegen. In dem Ort lebt noch ihre seinerzeit beste Freundin Miren – die Bittoris Heimkehr wohl noch banger gegenübersieht als alle anderen Einwohner. Denn Mirens Sohn Joxe Mari hatte sich den Terroristen angeschlossen und sitzt im Gefängnis, und Miren weiß, dass Bittori seit langem glaubt, dass er etwas mit dem Mord zu tun hatte. Trotz allem versuchen die einst durch die Politik und Terror entzweiten Freundinnen eine erneute Annäherung, denn Schuld und Verlust kennen beide Frauen.

Der geschichtliche Hintergrund von Aramburus „Patria“:

Patria von Fernando AramburuRund 50 Jahre lang kämpfte die ETA für einen unabhängigen baskischen Staat nach sozialistischem Vorbild. Dafür war ihr jedes Mittel recht: Mehr als 800 Menschen fielen dem Terror zum Opfer, zahllose wurden verletzt oder entführt. Die Organisation entzweite das Land und beeinflusste das Leben der Menschen im Baskenland nachhaltig. Patria – das bedeutet Vaterland – beschäftigt sich mit der Frage nach Schuld. Es gibt keine einfache Frage darauf, wer Opfer und wer Täter ist. Um dies zu zeigen, dringt Fernando Aramburu tief ein in das Leben der Menschen im Baskenland. Die inneren Zwistigkeiten zweier einst befreundeter Familien werden zum Symbol des größeren, politischen Konfliktes. Der ist auch ohne die ETA aktueller denn je durch das Unabhängigkeitsbestreben Kataloniens.

Fernando Aramburu nutzt die Perspektiven mehrere Protagonisten, um seine Geschichte zu erzählen. Und er zeigt dabei sehr eindringlich, dass einfache Schuldzuweisungen nicht greifen. Verluste gibt es auf allen Seiten, die Verbrechen beeinflussen alle Angehörigen. Auch die unrühmliche Rolle der spanischen Behörden im Umgang mit den Familien der Täter bleibt nicht unerwähnt. Im Mittelpunkt allerdings stehen Bitori und ihre einstige Freundin Miren. Obwohl das auslösende Ereignis für das Ende ihrer Verbindung schon so lange zurückliegt, ist es für beide Familien stets das eine, bittere Thema, um das sich alles dreht.

Es ist ein Thema, dem sich Fernando Aramburu auch in anderen Werken widmet. Doch „Patria“ wirkt wie der persönlichste, nahezu intime Versuch, das Sujet anzugehen. Der Autor lebt schon lange in Deutschland, hatte aber als Kind und Jugendlicher zahlreiche Berührungspunkte mit dem Terror. Wie so viele kannte er Menschen, die sich der ETA anschlossen oder solche, die ihr Leben durch die Organisation verloren. Für viele sind deren Mitglieder Helden – Fernando Aramburu schrieb „Patria“ auch, um seine eigenen Ansichten der Geschichte darzulegen.

Seine Sprache ist zuweilen sperrig, manchmal etwas umständlich, wobei letzteres aber vielleicht an der Übersetzung liegt. Noch dazu arbeitet er mit zahlreichen Perspektivwechseln und springt zwischen Zeiten hin und her. Der umgangssprachliche Ton ist jedoch ganz und gar ein Stilmittel des Autors.

Mein Fazit zu dem Roman „Patria“:

Leichte Kost ist der preisgekrönte Roman „Patria“ gewiss nicht, dafür sorgt schon das nicht einfach zu verdauende Thema. Man könnte dem Werk allenfalls vorwerfen, dass es seine Geschichte nicht so durchgehend packend und mitreißend erzählt, wie man es aufgrund vieler Kapitel erwarten mag. Doch einige wenige Längen in der Erzählung schmälern den Gesamteindruck nicht. „Patria“ ist ebenso Familiendrama wie Geschichtsstunde, beleuchtet die Politik ebenso wie die Gesellschaft. Es ist ein Roman über große Fragen, beispielsweise der, ob Versöhnung angesichts des Terrors möglich ist. Das sind Fragen, die auch den Leser nachhaltig beschäftigen. Somit kann ich dem Roman nur eine eindeutige Leseempfehlung aussprechen.

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