Inhaltsangabe: „Der erste Stein“ von Carsten Jensen:

Für eine Einheit dänischer Soldaten, die sich zum Teil aus Abenteuerlust freiwillig für den Einsatz in Afghanistan gemeldet haben, ist zunächst die Langeweile der größte Feind in diesem Krieg. Doch dann gerät die Truppe in einen Hinterhalt. Unerfahrenheit mischt sich mit Nervosität, und schlimmer noch ist die Erkenntnis, dass sie verraten wurden. Als Freund und Feind nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind, eskaliert die Gewalt.

Kritik zu dem Roman „Der erste Stein“:

Der erste Stein von Carsten Jensen„Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“ – dieser biblische Spruch, dem der Roman von Carsten Jensen seinen Titel verdankt, zieht sich wie ein unsichtbarer Faden durch dieses Buch. Denn in einem so komplexen Konflikt wie dem seit Jahrzehnten andauernden Afghanistan-Krieg ist ein moralischer Kompass nur noch schwer aufrecht zu erhalten. Und dazu gehört auch die Frage, wem man wie viel Schuld zugesteht.

Zu derartigen Überlegungen regt „Der erste Stein“ von Carsten Jensen den Leser an. Er tut dies im Gewand eines Politthrillers, was ihm manche Kritiker vorwerfen. Doch lässt sich auch hier reichlich Antikriegs-Rhetorik unterbringen, wenngleich der Autor es weitestgehend seinen Lesern überlässt, Schlüsse zu ziehen und zu urteilen.

Er selbst tut dies nicht, im Gegenteil erscheint sein Stil stellenweise nahezu kühl und distanziert, erinnert oft eher an eine nüchterne Reportage denn an einen Roman. Dass der Autor dafür lange und vor Ort recherchiert hat, ist glaubwürdig und spürbar. An anderen Stellen hingegen hält sich Carsten Jensen nicht so sehr zurück: Die expliziten Gewaltdarstellungen des Romans sind für zarte Gemüter nur sehr schwer zu ertragen. Verstümmelungen und Verletzungen werden so detailreich und blutig beschrieben, wie sie in der harten Realität eines völlig wahnsinnigen Krieges eben sind.

Auch die psychischen Folgen des Einsatzes beschreibt Carsten Jensen anschaulich – leichter zu bewältigen ist das für den Leser nicht unbedingt. Denn was in einem Menschen vorgeht, der zum Töten gezwungen wird, ohne dies wirklich hinterfragen zu dürfen und der erkennen muss, dass es in so einem Konflikt kein „Gut“ und „Böse“ gibt, das ist hart zu verdauen. Denn um welche beteiligte Partei es auch geht, ob die  Taliban, die regionalen Warlords, international eingreifende Gruppierungen oder eine amerikanische „Sicherheitsfirma, für die Mord und Vergewaltigung zur Tagesordnung gehört: Keiner der Beteiligten kann sich der Gewaltspirale entziehen, keiner sieht sich selbst in der Schuld.

Mein Fazit zu „Der erste Stein“ von Carsten Jensen:

Es ist sicher keine leichte Kost, die der Kulturanalytiker Carsten Jensen mit „Der erste Stein“ hier vorlegt. Dass das Buch dabei nicht zu einem halb fiktiven Sachbuch umschlägt, sondern stets Roman (und zwar ein erstklassiger Politthriller) bleibt, ist der Erfahrung des Schriftstellers zuzuschreiben. Einige Kritiker mögen das Bemühen des Autors, sein Buch als einen Antikriegs-Roman zu statuieren, als klischeehaft empfinden. Tatsächlich erscheint der Spagat zwischen Fiktion und Realität, verpackt in knallharter Unterhaltung, doch sehr gelungen.

„Der erste Stein“ ist ein Adrenalinrausch für Leser, die grausame Gewaltdarstellungen nicht scheuen, die aber auch begreifen, dass sie hier nicht Mittel zum Zweck sind, sondern schlicht zur Gesamterfahrung dazu gehören. Es ist ein fast episches Werk, das viele Fragen absichtlich offen lässt und so über das probate Mittel der Unterhaltungsliteratur Möglichkeiten für eigene Gedanken und Gefühle eröffnet. Gewalt erzeugt Gegengewalt – und von wem sie einst ausging, ist irgendwann egal.

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